Bundeskanzler Stocker: "Österreich geht weltoffen in die Zukunft, ohne auf seine Vergangenheit und Verantwortung zu vergessen"
Ministerrat: Regierung beauftragt Machbarkeitsstudie für ein Holocaust-Museum in Wien
"Das heurige Jahr steht im Zeichen von Gedenken und Jubiläen", eröffnete Bundeskanzler Christian Stocker das heutige Pressefoyer nach dem Ministerrat. Gemeinsam mit Vizekanzler Andreas Babler und Außenministerin Beate Meinl-Reisinger erinnerte er an bedeutende Meilensteine der österreichischen Geschichte: 80 Jahre Ende des Zweiten Weltkriegs und Gründung der Zweiten Republik, 70 Jahre Staatsvertrag sowie 30 Jahre Mitgliedschaft in der Europäischen Union.
Holocaust-Museum in Wien ein "gutes und richtiges Zeichen"
Das Erinnern an das Kriegsende und an das Ende des NS-Regimes sei vor allem auch ein Gedenken an alle Opfer, die diese Zeit gefordert hat: "Es war unsägliches Leid, das in dieser Zeit passiert ist. Wenn wir niemals vergessen wollen, dass etwas niemals wieder passieren soll, dann braucht es auch eine entsprechende Gedenkkultur und auch eine Verantwortung für die Zukunft", betonte der Bundeskanzler. Auch die Politik müsse sich danach ausrichten, dass es keine Grundlage mehr für eine Wiederholung einer solchen "Schreckensherrschaft" geben dürfe. In diesem Sinne habe der Ministerrat heute beschlossen, eine Machbarkeitsstudie für ein Holocaust-Museum in Wien zu beauftragen. "Es gibt derartige Einrichtungen in Los Angeles, Washington und Amsterdam. Ich glaube, es ist ein gutes und richtiges Zeichen, dass wir auch in Wien ein Holocaust-Museum etablieren", sagte Stocker.
Am Beginn der Zweiten Republik stehe auch der "Aufbau sprichwörtlich aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs", so der Kanzler mit Verweis auf die vorangehenden Generationen, die diese Aufbauarbeit für ein "freies, unabhängiges Land geleistet haben". Im Jahr 1955 sei es mit dem Staatsvertrag gelungen, diese Unabhängigkeit tatsächlich zu erreichen. In der Folge sei die Erfolgsgeschichte einer gefestigten Demokratie und eines wohlhabenden Landes möglich geworden.
Österreich als konstruktives Mitglied der Europäischen Union
Das Jahr 1995 habe schließlich mit dem EU-Beitritt Österreichs einen weiteren Meilenstein für die Geschichte des Landes gebracht. Die 30-jährige Mitgliedschaft in der Europäischen Union habe "unser Land auf vielerlei Weise gefördert und vor allem auch wirtschaftlich enorm positive Auswirkungen gehabt", so Stocker. Der Bundeskanzler betonte mit Blick auf den Europatag am 9. Mai, "dass wir uns als konstruktives Mitglied in dieser Europäischen Union verstehen, als ein Land, das seinen Beitrag leisten will". Dies habe in der Vergangenheit gegolten und werde auch in Zukunft so sein.
"Für mich ist nicht nur das Bekenntnis zu Europa wichtig, sondern auch die Frage, wie und wer diese Entwicklung gestalten wird. In diesem Sinne freue ich mich, dass Friedrich Merz gestern zum deutschen Bundeskanzler gewählt wurde. Denn in dieser Gemeinschaft kann eine starke Stimme Deutschlands auch eine gute Stimme für Österreich und für die Europäische Union insgesamt sein", sagte der Kanzler. Die Herausforderungen der Zukunft seien nur in Bündnissen und in Gemeinsamkeit zu bewältigen. "Wir sind ein weltoffenes Land und werden in dieser Weltoffenheit auch in die Zukunft gehen, ohne dass wir unsere Verantwortung und unsere Vergangenheit vergessen", bekräftigte der Bundeskanzler.
Vizekanzler Babler: "Gerechtigkeit, Demokratie und Zusammenhalt sind das Fundament der Erfolgsgeschichte Österreichs"
Vizekanzler Andreas Babler betonte in seinem Statement, dass die Jubiläen auch die Gelegenheit böten zu reflektieren, denn "das sind die Wurzeln unserer heutigen Republik, aus der wir hervorgegangen sind". Menschen, die in den Februarkämpfen noch als erbitterte Feinde gegeneinander gekämpft hätten, hätten durch das gemeinsame Überstehen des Horrors festgestellt, dass sie in diesem grausamen Schicksal zueinander finden können. Sie hätten das Richtige getan und gemeinsam Verantwortung für Österreich übernommen. "Gerechtigkeit, Demokratie und Zusammenhalt sind das Fundament der beispiellosen Erfolgsgeschichte dieser Zweiten Republik", so Babler.
Die Bundesregierung wolle an die Anfänge der Republik erinnern, aber auch an den Weg, der zu einem geeinten Europa und einer Zukunft des Zusammenhalts und des Friedens geführt habe. "Heute, wo wir tagtäglich mit Polarisierung, mit autoritären Tendenzen konfrontiert sind, die demokratische Institutionen gefährden, müssen wir diese europäische Idee pflegen, hegen und verteidigen", hielt der Vizekanzler fest. Auch die Neutralität aus dem Gründungsjahr der Republik, die "ein grundlegendes Bekenntnis zum Völkerrecht, zur internationalen Abrüstung hin zu einer friedlichen, einer gerechten Welt" sei, müsse gepflegt und erneuert werden, sagte der Vizekanzler.
Außenministerin Meinl-Reisinger: Einigkeit ist in Zeiten wachsender Unsicherheit unerlässlich
Außenministerin Meinl-Reisinger erinnerte daran, dass das "Niemals wieder!" ein Auftrag sein müsse, um die Erinnerungskultur auch in Zukunft hochzuhalten. Es gehe vor allem darum, stets an die unfassbaren Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern und alles zu unternehmen, dass die Opfer des Nationalsozialismus nicht in Vergessenheit geraten. "Es ist ein Auftrag, gerade auch in einer Zeit, in der Zeitzeuginnen und Zeitzeugen nicht mehr persönlich zu Wort kommen können", so Meinl-Reisinger.
Angesichts der Jubiläen und Befreiungsfeiern lud die Außenministerin die Österreicherinnen und Österreicher zu einer aktiven Teilnahme an den zahlreichen Veranstaltungen ein. "Ich möchte auch an den Mut und an den Einsatz jener erinnern, die uns vor 80 Jahren vom Nationalsozialismus befreit haben." Die Alliierten hätten aber nicht nur Österreich befreit, sondern mit dem Marschallplan auch Mittel für den Wiederaufbau zur Verfügung gestellt. Damit hätten sie Verantwortung für Europa übernommen und einen enormen Weitblick bewiesen. "Was dann erfolgt ist, ist eine einzigartige Erfolgsgeschichte, die wir auch dank einer verlässlichen transatlantischen Partnerschaft erleben konnten. Das sollte nicht in Vergessenheit geraten." Dazu kam die Entschlossenheit vieler österreichischer Politikerinnen und Politiker, die Republik wieder zu errichten, zu gestalten und vor allem den Weg Österreichs mit dem Staatsvertrag in die Unabhängigkeit zu begleiten, so die Ministerin.
Grundstein für ein Leben in Freiheit, Wohlstand und Demokratie
"Die berühmten Worte des Außenministers Leopold Figl 'Österreich ist frei' klingen heute noch nach. Sie sind ein Grundstein für ein Leben in Freiheit, Wohlstand und Demokratie. Sie sollten auch ein Leitmotiv für die Zukunft sein, wenn es darum geht, in welcher Welt die Österreicherinnen und Österreicher in Zukunft leben sollen", stellte Meinl-Reisinger fest. Auch der Beitritt zur Europäischen Union sei von weitsichtigen Politikerinnen und Politikern forciert worden: "Das war eine weise und weitreichende Entscheidung, die eine Geschichte des wirtschaftlichen Erfolgs, des politischen Zusammenwachsens, des Austausches vieler junger Menschen ermöglichte. Europa bringt viele Chancen, vor allem auch, wenn wir aktiv an der Gestaltung der Zukunft arbeiten. Ich halte es für eine wichtige Perspektive, den unerschütterlichen Willen zum Ausdruck zu bringen, diesen Raum des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands für die zukünftigen Generationen zu sichern", so die Außenministerin.
Die österreichische Bundesregierung nehme die wachsende Verunsicherung der Bevölkerung angesichts der derzeitigen politischen Umbrüche und Konflikte sehr ernst. Autoritäre Tendenzen würden zunehmen und liberale Demokratien immer stärker unter Druck geraten. "Gerade dieses Jubiläumsjahr ist ein guter Anlass, auf Werte und Grundbedingungen zu schauen, die diese Geschichte des Erfolgs in der Vergangenheit möglich gemacht haben", so die Ministerin. Daran gelte es auch in Zukunft festzuhalten. "Denn die Einigkeit Europas ist die Stärke Europas. Und diese Einigkeit ist auch gerade in Zeiten von wachsender Unsicherheit etwas Unerlässliches", so Meinl-Reisinger abschließend.
Bilder vom Pressefoyer sind über das Fotoservice des Bundeskanzleramts kostenfrei abrufbar.